Zusammenfassungen


Lehrer*innenprofessionalität im Kontext islamischer Religionspädagogik

Jun.-Prof. Dr. Naciye Kamcili-Yildiz

Vortag auf YouTube

 

Am 16.04.2024 fand am Institut für Islamisch-Theologische Studien ein wichtiger Vortrag von Prof. Dr. Naciye Kamcili-Yildiz zum Thema Lehrer*innenprofessionalität im Kontext der islamischen Religionspädagogik statt. Der Vortrag war Teil der Online-Vortragsreihe zu aktuellen Fragen der Islamischen Theologie und Religionspädagogik. Der Vortrag wurde von Dr. Şenol Yağdı PhD moderiert.

Prof. Kamcili-Yildiz ging ausführlich auf die Herausforderungen und Entwicklungen seit der Einführung des Studiums der Islamischen Theologie bzw. Religionspädagogik an deutschen Universitäten ein, eine Initiative, die seit 2010 durch Empfehlungen des Wissenschaftsrates vorangetrieben wurde. Diese Initiative hat maßgeblich zur Professionalisierung des Berufsstandes der islamischen Religionslehrer*innen beigetragen.

Ein zentraler Aspekt ihres Vortrags war die Unterscheidung verschiedener Typen von Religionslehrkräften, die im Islamischen Religionsunterricht (IRU) tätig sind:

  • Islamische Religionslehrkraft: Lehrkraft, die den Islam unabhängig von ihrer eigenen religiösen Identität unterrichtet.
  • Muslimische Religionslehrkraft: Lehrkraft, die selbst dem Islam angehört und diesen unterrichtet.
  • Islamischer Religionslehrer*in: Lehrkraft, sowohl muslimisch als auch nicht muslimisch, die sowohl religionskundlichen als auch bekenntnisorientierten Religionsunterricht erteilt.


Islamischer Religionsunterricht (IRU) wird in Deutschland vor allem in zwei Modellen angeboten:

  • Bekenntnisorientierter islamischer Religionsunterricht: Dieser Unterricht wird von anerkannten islamischen Religionsgemeinschaften verantwortet und ist vergleichbar mit dem katholischen oder evangelischen Religionsunterricht. Er wird in einigen Bundesländern (in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Hessen [nur Ahmadiyya], Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Saarland als Modellversuch) als ordentliches Lehrfach erteilt.
  • Islamkunde: Ein bekenntnisneutraler Unterricht in staatlicher Verantwortung, der überwiegend informierenden Charakter ohne religiöse Erziehungsabsicht hat (vorhanden in Bayern, Schleswig-Holstein, Hessen; nicht vorhanden in Berlin, Brandenburg, Bremen [bekenntnisübergreifender Unterricht], Hamburg [bekenntnisübergreifender Unterricht], Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen).

Die Einführung und Ausgestaltung dieser Unterrichtsformen hängen stark von den rechtlichen und strukturellen Rahmenbedingungen in den einzelnen Bundesländern ab. Besonders hervorzuheben ist die je nach Bundesland unterschiedliche Beteiligung und Trägerschaft islamischer Organisationen, die zu einer Vielfalt in der Durchführung und Qualität des Unterrichts führt. Diese Kategorisierung ist entscheidend, um die spezifischen Qualifikationsanforderungen und die pädagogische Ausrichtung des Unterrichts zu verstehen.

Darüber hinaus sprach Prof. Kamcili-Yildiz verschiedene Herausforderungen an:

  • Fehlende Unterrichtsmaterialien und unqualifizierte Lehrkräfte, die nicht angemessen auf ihre Rolle im IRU vorbereitet sind.
  • Strukturelle Hindernisse, wie Verzögerungen und Blockaden seitens der Schulleitung oder des Kollegiums, die die Einführung und Ausweitung des IRU erschweren.
  • Vorurteile und institutionelle Widerstände, darunter rassistische Vorurteile und die Angst vor einem schlechten Ruf der Schule, die zu Anfeindungen führen und islamische Religionslehrer*innen häufig in die Rolle des "Schiedsrichters" in Konflikten drängen.

Auf der Makroebene betonte die Professorin die Notwendigkeit, die Forschung zur Professionalität islamischer Religionslehrkräfte stärker an erziehungswissenschaftlichen Ansätzen zu orientieren und die Diskurse über Ausbildungswege sowie strukturelle und institutionelle Rahmenbedingungen zu erweitern. Auf der Mikroebene sollte das Unterrichtshandeln kompetenzorientiert erschlossen werden, unterstützt durch eine systematische Erforschung von Lehr- und Lernprozessen.

Die Diskussionen und Ergebnisse des Vortrags verdeutlichen die Dringlichkeit, die Professionalität islamischer Religionslehrkräfte durch verbesserte Ausbildungswege, qualifizierte Lehrmaterialien und unterstützende Strukturen zu fördern, um einen effektiven und inklusiven Islamischen Religionsunterricht zu gewährleisten.

Wir danken Frau Prof. Kamcili-Yildiz für ihre profunden Einblicke und allen Teilnehmenden für ihre engagierte Mitarbeit.


Islamisch-theologische Überlegungen zur Ambiguität und Ambiguitätstoleranz aus religionspädagogischer Perspektive

Apl. Prof. Dr. Jörg Imran Schröter

Vortrag auf YouTube

 

Am 23. April 2024 leistete Apl. Prof. Dr. Jörg Imran Schröter einen wichtigen Beitrag zur Diskussion um Ambiguität in der islamischen Theologie und deren pädagogische Implikationen. Der von Dr. Şenol Yağdı PhD moderierte Vortrag, der Teil einer fortlaufenden Online-Vortragsreihe an der Universität Wien ist, zog zahlreiche Teilnehmer*innen aus dem akademischen und pädagogischen Bereich an.

Prof. Schröter sprach über die Herausforderungen und die Notwendigkeit von Ambiguitätstoleranz im islamischen Kontext. Er beschrieb diese Toleranz als eine wesentliche "Kultur der Ambiguität", die in der islamischen Theologie zunehmend an Bedeutung gewinne. In seinem Vortrag betonte er, wie wichtig es sei, Mehrdeutigkeiten zu akzeptieren und konstruktiv mit ihnen umzugehen. Er beleuchtete pädagogische Strategien, die helfen, mit Heterogenität umzugehen, multiperspektivisch zu denken und Orientierung in scheinbarer Orientierungslosigkeit zu bieten.

Das Thema "Ambiguitätstoleranz", geprägt durch den Islamwissenschaftler Thomas Bauer, löste eine lebhafte Fachdiskussion aus. Prof. Schröter zeigte auf, wie Bauers Konzept in der modernen islamischen Theologie und Religionspädagogik zunehmend Beachtung findet. Bauer betonte, dass eine historisch verankerte Ambiguitätstoleranz in vielen muslimischen Kulturen unter den gegenwärtigen globalen Einflüssen abnehme. Diese Perspektive ermöglichte den Teilnehmenden einen tieferen Einblick in die historischen und kulturellen Dimensionen von Ambiguität im Islam und unterstrich die Notwendigkeit, diese in pädagogischen Ansätzen zu stärken. Wichtige pädagogische Ansätze wie der Mut zum Fragen und die Notwendigkeit einer klaren Positionierung wurden hervorgehoben. Prof. Schröter zog Parallelen zur islamischen Gelehrsamkeit und betonte, dass der Umgang mit Ambiguität auch als Adab vor Gott und als Demut vor dem Anderen verstanden wird.

Zusammenfassend kann festgehalten werden, wie wichtig es ist, dass Schüler*innen in schulischen Texten Kontingenzerfahrungen machen und lernen, Unterschiede und Differenzen auszuhalten. Darüber hinaus hat Prof. Schröter darauf hingewiesen, dass auch in der Frömmigkeit Raum für alternative Deutungen sein muss. Diese Themen stellen uns vor große Herausforderungen. Mehr Verständnis und hermeneutische Sensibilität sind gefragt, gerade in einer Zeit, in der einseitige Narrative immer mehr Raum gewinnen. Die Wiederherstellung und Förderung der Ambiguitätstoleranz ist daher von großer Bedeutung. Der Vortragende betonte auch die Bedeutung des interreligiösen Dialogs, insbesondere im Hinblick auf den Umgang mit Wahrheitsansprüchen. Es ist wichtig, dass wir bei der Behauptung von Wahrheiten auch eine selbstkritische Haltung einnehmen. Dies ist ein wesentlicher Schritt zur Förderung und Einübung von Ambiguitätstoleranz und trägt dazu bei, Unterschiede und alternative Interpretationen besser aushalten und verstehen zu können. Seine Betonung dieser Aspekte unterstreicht die Notwendigkeit, unsere eigenen Perspektiven immer wieder zu hinterfragen und offen für andere Sichtweisen zu bleiben.

Wir danken Prof. Jörg Imran Schröter für seine konstruktiven Einblicke und allen Teilnehmenden für ihre engagierte Teilnahme an der Diskussion. Der Vortrag hat nicht nur theoretische Erkenntnisse geliefert, sondern auch praktische Perspektiven eröffnet, die für die islamische Theologie und Religionspädagogik von großer Bedeutung sind. Der rege Gedankenaustausch und das große Engagement aller Beteiligten trugen wesentlich zum Gelingen der Veranstaltung bei.


Ambiguität und Vielfalt im islamischen Recht

Prof. Dr. iur. Çefli Ademi

 

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Religionspädagogische Perspektiven zu Fremdheitserfahrungen und Othering

Dr. Janosch Freuding

 

Am 14.05.2024 referierte Dr. Janosch Freuding von der Otto-Friedrich-Universität Bamberg am Institut für Islamisch-Theologische Studien zum Thema "Fremdheitserfahrungen und Othering in religiöser Bildung". Der Vortrag wurde im Rahmen der Online-Vortragsreihe zu aktuellen Fragen der Religionspädagogik gehalten und von Dr. Şenol Yağdı moderiert.

Dr. Freuding hob hervor, dass die Sensibilisierung für Othering-Prozesse eine zentrale Bildungsaufgabe darstellt. Er führte aus, dass gesellschaftliche Ausgrenzungsstrukturen eine permanente Bedrohung für das Zusammenleben darstellen und dass das Ziel darin bestehen sollte, Anerkennung für die*den jeweils Andere*n zu schaffen und Rahmenbedingungen für gelingende persönliche Begegnungen zu ermöglichen.

Ein zentraler Aspekt des Vortrags war die Erläuterung von Fremdheit als einer relativen Kategorie. Dr. Freuding erläuterte, dass die Wahrnehmung von Fremdheit stets von subjektiven Blickwinkeln und spezifischen Kontexten abhängt. Anhand verschiedener Unterrichtssituationen veranschaulichte er, wie Fremdheitserfahrungen im schulischen Kontext auftreten und wie Schüler*innen darauf reagieren. Es wurden verschiedene Subjektpositionen auf das Thema "Fremdheit" eingeführt, darunter die Erfahrung als "Objekt" einer Fremdzuschreibung sowie die Ordnungsirritation durch etwas Außerordentliches. Diese Perspektiven verdeutlichen, wie unterschiedlich Fremdheit erfahren und konstruiert werden kann.

Ein weiterer wichtiger Punkt war die Vorstellung von Strategien gegen Othering. Der Referent unterstrich die Relevanz, Stereotype zu irritieren, anstatt sie zu reproduzieren, und mehrperspektivische, individuenbezogene Zugänge zu wählen. Er betonte, dass es essenziell sei, Schuldzuweisungen zu vermeiden und stattdessen auf das Unrecht hinzuweisen, das mit ausgrenzenden Fremdzuschreibungen verbunden ist.

Im Verlauf des Vortrags wurde ersichtlich, dass Fremdheitserfahrungen nicht lediglich auf einer explizit-kognitiven Ebene thematisiert werden sollten, sondern auch implizit-emotionale Reaktionen Berücksichtigung finden müssen. Dr. Freuding unterstrich die Relevanz der Selbstreflexion der Lehrkraft hinsichtlich ihrer eigenen Deutungsmuster sowie die Notwendigkeit der Reflexion von Wissensstrukturen, die zu Ausgrenzung führen können. Der Vortrag verdeutlichte die Komplexität von Fremdheitserfahrungen sowie die Notwendigkeit, diese im Kontext religiöser Bildung kritisch zu reflektieren und zu dekonstruieren. Die Diskussionen und Ergebnisse des Vortrags unterstreichen die Dringlichkeit, Sensibilisierungsprozesse in der Bildungsarbeit zu fördern, um ein inklusives und respektvolles Miteinander zu gewährleisten.

Wir danken Herrn Dr. Janosch Freuding für seine tiefgründigen Einblicke sowie allen Teilnehmenden für ihre engagierte Mitarbeit.


Religionspädagogische Perspektiven zu Framing und Ideologiekritik im Religionsunterricht

Mag. Andreas Menne, MA

 

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